BGH: Kooperation zw. HNO-Arzt und Hörgerätevertrieb zulässig (Verkürzter Versorgungsweg), Urteil v. 29.06.2000, GZ I ZR 59/98
Der Bundesgerichtshof zum sogenannten verkürzten Versorgungsweg beim Vertrieb von Hörgeräten über HNO-Ärzte unter der „Umgehung“ von Hörgeräteakkustikern entschieden.
Sachverhalt lt. Urteil
Die Beklagte stellt digital programmierbare Hörgeräte her und vertreibt diese. Mit einem Rundschreiben vom 06.09.1996 wandte sie sich an Hals-Nasen-Ohren-Ärzte (im Folgenden: HNO-Ärzte), um für ihr neuartiges Konzept der Versorgung von Patienten mit Hörgeräten zu werben. Bei einer herkömmlichen Hörgeräteversorgung sucht der Patient nach der Verordnung eines Hörgeräts durch den HNO-Arzt einen Hörgeräteakustiker auf. Dieser nimmt eine erweiterte audiometrische Messung vor, fertigt einen Ohrabdruck und wählt ein geeignetes Hörgerät aus. Danach stellt er ein Ohrpassstück her, in das später das Hörgerät eingefügt wird. Anschließend passt der Hörgeräteakustiker das Hörgerät dem Patienten an und weist ihn in die Benutzung des Geräts ein. Darauf begibt sich der Patient erneut zum HNO-Arzt. Dieser überprüft, ob durch das Gerät eine ausreichende Hörverbesserung erreicht wird, und bestätigt für die Abrechnung mit der Krankenversicherung die Ordnungsmäßigkeit der Versorgung.
Nach dem Konzept der Beklagten, bei dem das Hörgerät im so genannten verkürzten Versorgungsweg abgegeben wird, führt der HNO-Arzt die erweiterte audiometrische Messung selbst durch und nimmt auch selbst den Ohrabdruck ab. Die Messergebnisse und den Ohrabdruck übermittelt er der Beklagten. Diese wählt ein Hörgerät aus, programmiert es digital und fertigt das Ohrpassstück an. Das Hörgerät wird dann der Arztpraxis übersandt. Dort wird es individuell angepasst und gegebenenfalls mit Hilfe eines von der Beklagten gestellten Computers – in telefonischer Sprechverbindung mit dem Hörgeräteakustiker der Beklagten – umprogrammiert. Die Beklagte stellt dem Arzt Ersatzgeräte und ein zusätzliches Ohrpassstück zur Verfügung, die an den Patienten weitergegeben werden können, falls ein Mangel an dem Hörgerät auftritt und dieses zur Reparatur an die Beklagte eingesandt werden muss. Schwierige Versorgungsfälle soll ein Hörgeräteakustiker der Beklagten in der Arztpraxis betreuen. Die Beklagte hat am 18.12.1996 mit dem Landesverband der Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen einen Vertrag über die Versorgung der Versicherten dieser Kassen mit Hörgeräten auf dem von ihr entwickelten Vertriebsweg geschlossen. In diesem Vertrag ist vorgesehen, dass die Krankenkasse für die ärztlichen Leistungen bei der Abnahme des Ohrabdrucks und der Anpassung des Hörgeräts ein Honorar von 250 DM für jedes zu versorgende Ohr bezahlt. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung soll das Honorar an die Beklagte ausgezahlt werden, die es an die HNO-Ärzte weiterzuleiten hat.
Die klagende Bundesinnung der Hörgeräteakustiker ist der Ansicht, dass das von der Beklagten beworbene Versorgungssystem gegen Bestimmungen des ärztlichen Berufsrechts und des Handwerksrechts sowie gegen sozialrechtliche Vorschriften verstoße und deshalb wettbewerbswidrig sei.
Bundesgerichtshof Urteil v. 29.06.2000, GZ I ZR 59/98
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